Internationale Lieferketten bleiben angeschlagen

Der Grossteil des globalen Handels wird über die Seefracht abgewickelt. Eine riesige Maschinerie, die vor 2 Jahren ins Stocken geraten ist und nicht mehr richtig in Fahrt kommen will.

Wie anfällig diese Warenflüsse sind, zeigte sich unter anderem bei der Blockade des Suez-Kanals im Frühling 2021 durch eines der grössten Frachtschiffe weltweit, der Ever Given. Industriegüter kamen mit sehr viel Verspätung ans Ziel. Damit beeinflussten Sie viele nachgelagerten Lieferketten ebenfalls negativ. Die Situation ist nach wie vor kritisch. Denn die internationalen Lieferketten bleiben angeschlagen, auch über das Jahr 2022 hinaus.


Sinkende Zuverlässigkeit

Das Beispiel der Ever Given zeigt eindrücklich auf, wie stark die Abhängigkeiten innerhalb der globalen Lieferketten sind. Selbst wenn Unternehmen äusserst zuverlässige Logistik-Partner zur Seite haben, so sind sie dennoch nicht vor solchen Ereignissen geschützt und werden unter Umständen mit voller Härte getroffen. Konnten in der Seefracht 2019 durchschnittlich 75% der Termine eingehalten werden, so sank dieser Wert Ende 2021 auf ein Allzeit-Tief von 32%.

In Zeiten solch ungewohnt tiefer Zuverlässigkeit können Unternehmen mit einem guten Supply Chain Management Marktanteile hinzugewinnen (wie Toyota eindrücklich zeigte). Ihre Lieferfähigkeit basiert auf einer klug gewählten und gut umgesetzten Strategie. Andere Unternehmen ziehen nach. Sie setzten auf Re- beziehungsweise Near-Shoring, möglicherweise sogar In-Sourcing. Dadurch können sie schneller reagieren und den Einfluss internationaler Disruptionen verringern. So investiert der Halbleiterhersteller Intel vorerst 20 Milliarden US-Dollar in den USA. Keinesfalls ein kurzfristiger Strategie-Wechsel.

Quelle: Sea Intelligence

Keine rasche Erholung in Sicht

Betrachtet man die Situation rund um die grossen Häfen, so ist mit keiner raschen Erholung zu rechnen. Nehmen wir zum Beispiel die Daten der beiden grössten Häfen in den USA, Los Angeles und Long Beach. So warteten Ende Januar 108 Schiffe zur Entladung. Im Durchschnitt haben diese Schiffe 8’200 Container geladen, was zu einem Total von fast 900’000 Container führt. Alleine dafür würden die Häfen 5 Wochen benötigen. Sie denken grössere Häfen würden helfen? Leider nicht. Auch temporär erstellte Häfen, nützen nur bedingt. Denn die Container liegen, nachdem sie entladen wurden, durchschnittlich 9 Wochen, bevor sie durch die Logistiker abgeholt werden. Dies, weil es an LKW-Fahrer und der nötigen Kapazität im Schienenverkehr fehlt.

Quelle: Flexport Analysis, Sea Intelligence

Da die Nachfrage nach Konsumgüter (und damit der Nachschub aus Fernost) in diesem Jahr kaum deutlich abnehmen wird, bleibt diese Situation noch eine Weile bestehen. Der Rückstand ist enorm hoch. Trotz fehlender Kapazitäten werden dennoch viele sogenannte “Blank Sailings” (Leerfahrten), durchgeführt. Weshalb? Nun, die Kapazitäten sind schlichtweg oft zur falschen Zeit am falschen Ort. Dieses Ungleichgewicht wird aller Voraussicht nach bis Mitte 2023 anhalten. Das ist das Best-Case-Szenario. Denn es ist damit zu rechnen, dass die neuen Schiffe aufgrund der Stahl-Knappheit mit deutlicher Verspätung ausgeliefert werden. So oder so, die Zeiten tiefer Frachtraten, wie wir sie von vor 2020 kannten, sind vorbei.

 

Fazit

Die Zuverlässigkeit der Lieferketten ist nach wie vor auf einem Allzeit-Tief. Ohne Aussicht auf eine rasche Erholung. Die Faktoren, welche noch bis vor kurzem die Entscheide im strategischen Supply Chain Management herbeigeführt hatten, haben sich verändert. Die Situation muss neu analysiert und strategische Entscheide überdenkt werden. Auch in Bezug auf die Lagerbestände. Denn nicht nur während, sondern auch nach der Pandemie werden diejenigen Unternehmen am erfolgreichsten sein, welche die Liefererwartungen ihrer Kunden erfüllen können. Sie gehen gestärkt aus der Krise.

Interesse, mehr darüber zu erfahren? Ich freue mich auf Ihren Anruf!