Weshalb Just-in-Time nicht immer erfolgreich ist

Jahrelang haben Experten aller Art den Führungskräften gesagt, dass die Bilanz besser aussieht, wenn sie keine Bestände halten. Wahrscheinlich haben sie noch viel mehr gesagt. Aber bei vielen Unternehmen ist das alles, was geblieben ist. Zugegeben, Just-in-Time-Inventarisierung funktioniert sehr gut. Nämlich dann, wenn Sie sicher gehen können, dass Ihre Lieferanten und Sublieferanten absolut zuverlässig sind. Aber das können Sie nicht.

Denn auch diese sind von den globalen Entwicklungen und einer Vielfalt an Faktoren abhängig. Die Dynamik der Lieferketten wurde in den vergangenen Jahren stetig komplexer und die gegenseitigen Abhängigkeiten nahmen zu. Alles kein Problem. Bis zu dem Moment, in welchem dieses Perpetuum Mobile unterbrochen wurde. Im globalen Handel tauchten viele unerwartete Ereignisse auf. Die 3 wichtigsten Gründe dafür finden Sie in einem früheren Artikel. Alles der Pandemie zuzuschreiben, wäre zu einfach. Und falsch. Denn die Ursache liegt in der ungenügenden Resilienz der Lieferketten. Der Fokus auf Just-in-Time und Zero-Inventory machte sie fragil.


Deshalb ist Just-in-Time nicht immer erfolgreich

Besonders die weit verbreiteten Konsolidierungen in Herstellung und Beschaffung machte die Lieferketten zunehmend fragiler, reduzierten diese doch die Zahl der potenziellen Lieferanten und Ursprungsländer. Diese Konsolidierungen waren und bleiben ein wichtiger Aspekt und bringen viele Vorteile. Denn dadurch kann eine vorher nie dagewesene Kosteneffizienz erreicht werden. Vorausgesetzt, es läuft alles nach Plan. Tut es das nicht, kommt die gesamte Lieferkette ins straucheln. Sind Alternativen vorhanden, kann auf diese ausgewichen werden. Wenn nicht, kann dies eine Lieferunfähigkeit auslösen und vernichtet substanziellen Wert. Der dabei entstehende Schaden geht schnell in die Millionen. Im Quartal 4/21 hat iRobot deswegen USD 35 Millionen an Einnahmen verloren.

Und dieser Ausfall beinhaltet nur dir unmittelbar messbaren Kosten. Die deutsche Automobil-Industrie, bei welcher Just-in-Time seit Jahren praktiziert wird, musste Anfang März zum wiederholten Male ihre Produktion runter fahren. Nach dem Fehlen von Halbleiter 2021, fehlen nun, unter anderem, Kabelstränge, welche in der Ukraine hergestellt werden. Die Folgen davon sind massive Lieferverzögerungen, teilweise erhöhen sich die Lieferzeiten gar um ein Mehrfaches. Davon betroffen sind alle Autobauer, auch deren Nutzfahrzeugsparte. Für viele Transport-Unternehmen ein Problem und das kann bisweilen dazu führen, dass eine bisherige Markentreue in Frage gestellt wird. Die Auswirkungen davon verändern die Nachfrage langfristig. Für die betroffenen Unternehmen können Lieferschwierigkeiten so zu einem noch viel grösseren wirtschaftlichen Schaden führen als dies jetzt quantifizierbar ist.

 

Von Beschaffungsstrategien und Lieferantenmanagement

Diese rein betriebswirtschaftliche Sichtweise, die zweifelsohne ihre Berechtigung hat, berücksichtigte die Komplexität der Lieferketten und ihre Einflüsse jedoch ungenügend. Die Unternehmen reduzierten die Zahl der Lieferanten mit denen sie zusammenarbeiten. Dadurch gewannen sie an Bedeutung bei den übrig gebliebenen Lieferanten und erhielten bessere Konditionen. Zudem konnten Sie ihre Beschaffungsprozesse vereinfachen. Doch damit einhergehend stieg nicht nur die Abhängigkeit auf dem Beschaffungsmarkt, es reduzierten sich auch mögliche Alternativen.

Was letzten Endes dazu führte, dass auf gewissen Märkten einige wenige Lieferanten eine beherrschende Stellung eingenommen hatten. Oder zumindest von sehr grosser Bedeutung waren. Wie diejenigen Fabriken in Japan, die früher wichtige Lieferanten für die Halbleiter- und Leiterplattenherstellung waren. Beim Tsunami im Jahr 2011 wurden vieler dieser Fabriken zerstört. Dadurch waren die von ihnen belieferten Industrien nicht mehr in der Lage, ihre eigenen Lieferversprechen einzuhalten. Das war der Auslöser, weshalb Toyota ihre Bestände in dieser Produktgruppe wieder erhöht hatte.

Jedes Unternehmen muss seine Lieferketten kennen und – im Rahmen seiner Möglichkeiten – überwachen. Es sollte eng mit seinen Lieferanten zusammenarbeiten um zu wissen, was in deren Unternehmen und ihren Märkten vor sich geht. Aber es benötigt auch kritische Informationen von ausserhalb. Es geht darum, die Fähigkeit zu entwickeln und zu antizipieren, wann und wo Störungen auftreten können. Erst dadurch können geeignete Massnahmen ergriffen werden, um das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen.

 

Die richtige Herangehensweise

Keine Frage, die Bestände sollten nicht zu hoch sein. Aber eben auch nicht zu tief. Resiliente Lieferketten beinhalten nicht nur ein aktives Lieferantenmanagement, sondern auch die auf ihre Situation angepasste Beschaffungs- und Lagerhaltungsstrategie. Als Basis dient hierbei eine gründliche Analyse der bereits vorhandenen Daten. Der parallel dazu stattfindende Wissensaustausch zwischen den internen Spezialisten und dem externen Berater, dient der Berücksichtigung aller möglicher Einflüsse und deren Auswirkungen. Darauf aufbauend entwickelt der Profi für Supply Chain Management die optimale Strategie.

Das löst nicht alle Probleme. Aber es macht die eigenen Lieferketten widerstandsfähiger und ermöglicht den Unternehmen die Chance, besser auf Disruptionen vorbereitet zu sein und Anzeichen für Probleme früher zu erkennen. Sollten ihre Lieferketten dennoch aus dem Gleichgewicht geraten, können sie sofort reagieren und erhalten dadurch einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern. Bestenfalls gehen sie sogar gestärkt aus solch einer Krise. Insbesondere dann, wenn sie von den Vernachlässigungen ihrer Konkurrenz profitieren und dadurch ihren Marktanteil ausbauen können.